Interessante Dinge zu sehen erfordert nicht immer eine Reise um die halbe Weltkugel. Auch Hannover sowie die Region von Hannover können mit kulturellen Highlights aufwarten, welche wir uns ebenfalls genauer anschauen und darüber berichten wollen. Das Fagus-Werk im Niedersächsischen Alfeld, knapp 60 km südlich von Hannover, ist ein sehenswertes Stück Architekturgeschichte. 2011 wurde es zum UNESCO Welterbe erklärt.
Der Besuch des Fagus-Werks ist reiner Zufall. Wir wollen eigentlich Schloss Marienburg besuchen, dort angekommen erfahren wir jedoch, dass es aufgrund einer Veranstaltung für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Auf der Suche nach einem alternativen Ziel schlägt Google uns das Fagus-Werk in Alfeld vor. Der Name kommt mir bekannt vor: Bruchstückhaft erinnere ich mich die Namen Fagus-Werk, Walter Gropius und Bauhaus zusammenhängend in einem Zeitungsartikel gelesen zu haben. Das könnte interessant sein. Also ab nach Alfeld.
Nach einer knappen halben Stunde Fahrt erkennen wir schon den Fabrikschlot, der den Schriftzug Fagus trägt. Wir fahren auf das Betriebsgelände, vorbei an dem kleinen Pförtner-Häuschen, und suchen uns einen Parkplatz. Wir schlendern vorbei an den gelb verklinkerten Werksgebäuden und betreten das Besucherzentrum, von dem aus wir ausgestattet mit einem Videoguide schließlich eine Rundtour über das Werksgelände beginnen.
Die Errichtung des Fagus-Werks wurde 1911 vom Schuhleistenfabrikant Carl Benscheidt bei Walter Gropius in Auftrag gegeben. Es sollte ein neuer attraktiver Produktionsstandort für Schuhleisten werden. Die Errichtung des Werks erfolgte direkt an einer logistisch wichtigen Bahntrasse.
Das Fagus-Werk war eines der ersten Arbeiten von Walter Gropius, der als Pionier der neuen modernen Architektur gilt und späterer Gründer des Bauhaus ist. Das Fagus-Werk ist damit eines der ersten Fabrikanlagen, die in der neuen modernen Industriearchitektur errichtet wurden.
Der Videoguide versorgt uns mit Informationen über die stilistischen Merkmale der Architektur. Die Gebäude sind kubistisch und schlicht. Zu nennen wären hier zum Beispiel die in weiten Teilen verglasten Fassaden. Eine architektonische Besonderheit ist, dass die Fensterfronten sich über die Ecken der Gebäude erstrecken. Die gelb verklinkerten Gebäude haben einen Sockel aus braunem Klinker, der optisch die Gebäude zum „Schweben“ bringen soll.
Auf dem Geländes des Fagus-Werks wird noch heute gearbeitet und produziert. Firmiert wird mittlerweile unter dem Namen Fagus-GreCon und neben Schuhleisten, bietet das Unternehmen noch Messtechnik und Brandschutzsysteme an.
In der ehemaligen Lagerhalle, wo einst das per Bahn angelieferte Holz zur Fertigung der Schuhleisten, aufbewahrt und getrocknet wurde, befinden sich nun auf vier Etagen Ausstellungsräume, die über Firmengeschichte, den Bau des Fagus-Werks, über das Produkt Schuhleisten, Schuhmode der letzten 100 Jahre, den Rohstoff und Werkstoff Holz und vieles mehr informieren. Die Ausstellung ist wirklich interessant. Leider läuft uns die Zeit davon.
Um kurz vor 17 Uhr merken wir, wie Licht und Musik in der Ausstellung nach und nach ausgeschaltet wird. Zeit uns zum Ausgang zu begeben und die Video-Guides zurückzugeben. Zwei Stunden waren leider etwas knapp für den Besuch der kompletten Ausstellung, aber alles was wir sehen konnten war überaus interessant, lehrreich und ist wirklich einen Besuch wert. Es ist empfehlenswert drei bis vier Stunden für den Besuch einzuplanen.
Eintritt: 10 EUR inklusive Videoguide
Zum Abschluss noch ein bisschen Quizshow-Wissen: Fagus ist die botanische Bezeichnung für Buchengewächse. Hauptrohstoff zur Fertigung der Schuhleisten Anfang des 20. Jahrhunderts. Mittlerweile werden Schuhleisten in erster Linie aus Kunststoff hergestellt.